Salma El-Wardany - Alles, was wir uns nicht sagen
Ich weiß leider nicht mehr, wo ich den Tipp für dieses Buch her habe. Trotzdem einfach mal Danke gesagt! So schön, so gut geschrieben, so eine gute Geschichte. Ich war schon länger nicht mehr so emotional in einen Roman investiert, wie die letzten drei Tage. Der Mai ist der Monat, wo ich die großen und schon länger liegenden Bücher in Angriff nehme. Dieses hier war noch gar nicht so lange gestapelt, es hat dafür aber 475 Seiten (mit Absätzen! Eine Wohltat für meine Augen. Alle die nicht wissen warum, gern den vorigen Blogeintrag einmal anschauen hier). Die meisten würden dieses Buch wohl in die Kategorie Frauenroman einsortieren. Ist nicht falsch aber es sitzt so viel mehr zwischen diesen beiden Buchdeckeln. Ich liebs!
Die Geschichte dreht sich um die drei Freundinnen:
- Bilquis/Spitzname Kees (Muslimin, Pakistanische Wurzeln, Familienmensch, katholischer weißer Verlobter, studiert Jura, wird dann Anwältin)
- Jenna (Muslimin, Jordanische Wurzeln, die Partymaus, bildschön, studiert Medizin, reiche Eltern, Traditionsbewusst, Bindeglied zwischen Bilquis und Malak)
- Malak (Muslimin, Ägyptische Wurzeln, Familienmensch, studiert nahöstliche Philosophie, vierjährige Beziehung mit einem weißen Atheisten gehabt, lebt anderthalb Jahre in Ägypten)
Die drei sind sehr unterschiedlich, halten aber seit der Schulzeit zusammen, studieren zusammen und das Buch steigt im letzten Semester ein. Denn ab da trennen sich die Wege langsam. Kees und Malak streiten sich, Jenna steht etwas hilflos daneben und als Malak dann spontan nach Ägypten zieht, verlieren die drei sich aus den Augen. Es gibt nur noch sporadischen Kontakt aber das jeweilige Leben geht weiter und alle drei bekommen ihre eigenen Kapitel. Malak, Kees und Jenna sind beeindruckende Frauen, die sich allesamt in den Wirrungen des Lebens verheddern. In den schlimmsten Stunden, auch wenn man anderthalb Jahre keinen Kontakt mehr hat, finden sie sich wieder zusammen und machen das Beste aus der Situation. Denn das es zu diesen Ausnahmesituationen kommen konnte, liegt daran, dass man sich nicht alles sagt. Manchmal braucht man aber die Sicht einer Person, die einem nah und vertraut ist, um so Dinge klar zu bekommen, die man selber nicht sieht. Das ist hier so wunderbar eingewoben und hat mich zutiefst gerührt.
Egal wieviel Kontakt man hat, ob regelmäßig oder nicht, wenn es drauf ankommt, ist man da. Es ist eine wunderbare Form der Freundschaft unter Frauen, die in diesem Buch für eine Protagonistin die Familie ersetzt. Und es ist soviel mehr als nur lachen, weinen, unterstützen, tratschen und Zeit verbringen. Diese Freundschaften sind ein ganz besonderes Band, das nur zwischen Frauen geknüpft werden kann. Ich glaube, dass ist es auch, was mich an diesem Buch beeindruckt hat. Klar, es gibt für mich als deutsche, weiße, katholisch erzogene (aber nicht gläubige) Frau eine neue Perspektive in eine Lebensrealität, die durch den Islam, Familie und Tradition geprägt ist. Gerade was den Spagat zwischen den kulturellen Werten im Hinblick auf das Leben im lockeren England bedeutet war spannend mitzuverfolgen. Das ist aber längst nicht alles. Denn letztendlich lässt es sich darauf herunterbrechen, dass da drei Frauen sich mit Mühe versuchen, durch ihr Leben zu kämpfen, einsehen müssen, wenn sie verloren haben und trotz der verschiedenen Wege immer wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können. Egal ob gewalttätige Beziehung, Freundschaft, eine Beziehung ohne Liebe, Heirat und noch so vieles mehr. Ich habe jede Seite geliebt und teilweise ein paar Tränen verdrückt, bin ich ehrlich.
Alles, was wir uns nicht sagen ist einer besten Romane die ich gelesen habe. Absolute Empfehlung.
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