Domenico Müllensiefen - Schnall dich an, es geht los

Ich habe mich heute angeschnallt und mir dieses Buch an einem Stück reingefahren. Das erste Buch vom Autor hat mich schon begeistert (Eintrag findet ihr hier), da war es keine zweite Überlegung mir das zweite mitzubestellen. 

Es geht um die Geschichte von Marcel, der hier aus seiner Jugend und seinem gegenwärtigen Leben in einem kleinen Dorf im tiefsten Osten erzählt. Die Augeregtheit der Wende ist vorbei und alles versinkt in einer Schwere die nur ganz knapp an der Hoffnungslosigkeit vorbeischrammt. Alle ziehen weg, kommen zurück oder bleiben vor Ort. Eine sehr beeindruckende Geschichte die hier aufgezogen wird. Einige Male musste ich lauthals lachen, dann wurde es so traurig, dass es nur schwer auszuhalten war. Alles in einem Buch. Das sind die Geschichten, die ich lesen will. Die ich sammel und die mich immer begeistern werden. Gleichzeitig muss ich so ehrlich sein, ganz so flüssig liest es sich teilweise nicht. Ich bin an manchen Sätzen hängen geblieben und bin mir nicht ganz sicher ob es pure Absicht vom Autor ist oder ob es an der ganzen Konstruktion dahinter liegt. Das fiel mir beim ersten Roman wesentlich leichter, da bin ich einfach durchgerauscht. 

Die Geschichte handelt von Marcel, der mit Vater, Mutter und der jüngeren Schwester in Jeetzenbeck, in der Altmark, lebt. Der Vater ein absoluter Träumer und gleichzeitig kriminell, die Mutter rackert sich in zwei Jobs ab, später alleinerziehend, sitzt sie meist rauchend in der Wohnung vor dem Fernseher. Die jüngere Schwester Vanessa stirbt bei einem Alleinunfall mit dem Auto von Marcel. Marcel verlässt nach seinem Hauptschulabschluss die Schule, ist mit Steffi in einer Beziehung, bis sie sich entscheidet abzuhauen, ohne irgendjemanden in Kenntnis zu setzen. Später taucht sie wieder auf und kauft das verfallene Kulturzentrum im Dorf. Marcel springt immer zwischen den Geschichten aus der Kindheit & Jugend sowie der Gegenwart. In der steht er tagtäglich in Emilios Drehspießbude und verteilt Sonntags die Wochenzeitung im Dorf. Für mehr hat es einfach nie gereicht. Ein bisschen Resignation aber eben auch Zufriedenheit mit dem Stand wie es ist. Die Geschichten an sich sind ziemlich wild, bunt, beim weiteren lesen traurig aber nicht ohne Humor. Denn wir hatten doch damals nichts und was soll man sich jetzt noch aufregen. Kurzer Eindruck einer solchen Episode: Der Vater, Ralf, besorgt ein Wohmobil und packt die Familie ein um nach Ungarn in den Urlaub zu fahren. Sie schaffen es bis kurz hinter München. Weiter geht es nicht. Ralf und seine Frau schreien sich an, die beiden Kinder stehen wie bestellt und nicht abgeholt rum und werden dann, zusammen mit ihrer Mutter von einer fremden Frau mitgenommen. Um dann in einen Zug wieder Richtung Heimat zu steigen. Alle Versprechungen von Urlauben, Erlebnissen werden so gut wie nie wahr. Daher ist das Ende vom Buch sehr rührend. Denn irgendwann sollte man dann doch los. Anschnallen, nicht vergessen. 

Was noch eine Anmerkung verdient: Der Autor hat wieder einen Cameo Auftritt im Buch und diesmal sogar mehrmalig. Ich musste immer wieder schmunzeln und finde das einfach nur gut, dass er sich selbst als Figur mitspielen lässt. Zudem gab es auch eine kleine Anspielung auf den ersten Roman, die mir sofort ins Auge fiel und die mich sehr gefreut hat.  

"Und dann dieses Kribbeln im Bauch, das einem bis in den Hals steigt und dann wieder abfällt, durch den Bauch rauscht und einem in die Füße klatscht, die man dann nicht mehr bewegen kann, wie man überhaupt nichts mehr bewegen kann." (S. 115) 

"Vielleicht ist genau das unser Leben, dachte ich: Eine Reihe von Glücksmomenten, die darin bestehen, das man anderen kein Brett ins Gesicht schlägt." (S.223) 


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