Viktorija Tokarjewa - Glücksvogel
Hier handelt es sich um eine Regalleiche. Habe unter der Woche ein Regal durchsortiert und dieses Buch stehen sehen. Ich war mir nicht mehr sicher ob ich es schon gelesen hatte. Nach den ersten 20 Seiten stellte sich raus - Nope. Das ist mir alles komplett neu. Habe es daher gestern und heute in einem Rutsch durchgelesen. Ging ziemlich gut, denn die Geschichte an sich ist nicht kompliziert und sämtliche Sätze relativ kurz gehalten. Die Autorin schreibt auch Drehbücher. Das kann man hier ganz gut sehen. Es sind immer einzelne Szenen, kurz umrissen, kleine Kapitel die für einen bestimmten Abschnitt stehen und klare als Episoden abgegrenzt sind. Wenn man sich ein bisschen mit russischer Gegenwartsliteratur auskennt, ein paar Klischees zu den russischen Frauen kennt, weiß man relativ schnell worauf das hier hinausläuft.
Die Protagonistin ist Nadka. Das Buch startet mit ihren Eltern und vor allem, wie ihre Mutter Xenia als Künstlerin durchstartet. Nie wirklich reich aber solide und erfüllt von ihrem kreativen Arbeiten. Sie zieht ihre Tochter allein groß, da der Vater stirbt. Das groß ziehen beschränkt sich aber auf: Nadka verbringt ihre Kindheit bei den Großeltern auf dem Land, während Xenia in Moskau durchstartet.
Schon früh hat sich Nadka, inspiriert von Jackie Onassis (die immer wieder an verschiedenen Stellen Thema wird), überlegt sich einen reichen Mann zu angeln und somit fürs weitere Leben ausgesorgt zu haben. Als sie ihre Prüfung am pädagogischen Institut nicht besteht, macht sie sich auf die Suche nach einem Ausländer, der sie in den Westen bringen soll. Günther aus Münster ist der erste, nachdem sie ihn aber betrügt um an mehr Geld zu kommen, schmeißt er sie raus. Als Nächstes ist dann Rainer an der Reihe. Heirat, das erste Töchterchen Mascha wird geboren, als sich leider rausstellt, dass Rainer ein massives Alkoholproblem hat und seinen Job verliert. Nadka kommt über Umwege in Frankreich an. Dort trifft sie zwei weitere Männer, Jean Marie kann sie etwas länger halten, der hat aber ein Pferdewettenproblem an den Hacken und will eigentlich seine Ehefrau zurückhaben.
Zurück in Moskau, schlägt sie sich weiter durch. Angestellt in einer Immobilienfirma, besorgt sie sich eine eigene Wohnung, baut ihr Netzwerk weiter aus, hat eine Affäre und trifft dann auf Andrej, Bänker und verheiratet. Sie jubelt Andrej, der eigentlich zeugungsunfähig ist, einen Sohn unter, Luka. Er will sich aber nicht von seiner Ehefrau Swetlana scheiden lassen. Sieben Jahre hält sie durch als Geliebte, wirklich voneinander lassen können die beiden nicht. Eifersuchtsszenen, Geld, Sex und eine unerfüllte Hoffnung füllen die Seiten. Nadka ist ziemlich skrupellos und kann daher weiter an ihrem Ziel arbeiten. Nachdem sie sich von Andrej zumindest einigermaßen lösen kann, trifft sie auf den Duma Abgeordneten Schubin. Kerniger, 50 jähriger Kerl aus Sibirien. Zwar noch verheiratet aber willens sich scheiden zu lassen. Nadka ist ihrem sorgenfreien Leben sehr nah und spürt, wie der Glücksvogel wieder an ihrer Seite ist.
Das ist die grobe Handlung. Mit ein bisschen mehr Witz und Charme in den Sätzen und vielen Details die gut eingearbeitet sind in diesem Chaos. Natürlich erfüllt Nadka eine Menge Klischees. Irgendwie hat sie sich aber doch hochgearbeitet. Zwar viel gelogen, betrogen und immer dem Geld nach, trotzdem ist sie eine starke Frau. Ich bin da ehrlicherweise ein bisschen zwiegespalten. Mein moralischer Kompass würde das einfach nicht hergeben und mir war Reichtum nie wichtig. Das als Antrieb zu nehmen und alles diesem Ziel unterzuordnen finde ich schwierig. Verurteilen will ich die Protagonistin aber deshalb nicht. Es ist die Perspektive, die Kämpfe die sich mit sich und ihrem Umfeld austrägt, die diese Geschichte tragen und zu einer guten machen.
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