Franziska Grillmeier - Die Insel
Ein Bericht vom Ausnahmezustand an den Rändern Europas
Das war ein richtig schweres Buch. Ich fange hier aber mal mit den leichten Dingen an. Die Autorin ist freie Journalistin und lebt auf der griechischen Insel Lesvos. Sie berichtet dort von den Erstaufnahmelagern und der allgemeinen Situation von geflüchteten Menschen die dort leben, beziehungsweise einfach festsitzen. Die Grenzregionen der Balkanroute, die polnisch-belarussische Grenze sowie die die Fluchtbewegung aus der Ukraine, nach dem (großflächigen) Angriffskrieg Russlands im Februar 2022. Diese Bereiche werden im Buch abgedeckt.
„Dieses Buch ist aus der Perspektive einer außenstehenden Beobachterin geschrieben, die aus freien Stücken kommen und gehen konnte. Den Menschen, die aus Moria und entlang der europäischen Grenzen über ihr Leben erzählten, ist es gewidmet.“ (S. 18)
Ich hab das Buch schon vor einiger Zeit gelesen, habe es als Buchtipp in einem Podcast aufgeschnappt und dann erstmal gestapelt. Das Lesen fiel mir teilweise wahnsinnig schwer. Denn es sind die Geschichten von geflüchteten Menschen, greifbare Schicksale, die hier ihren Platz bekommen haben. Von im Stich gelassenen Inselbewohnern, von überforderten Hilfsorganisationen - die dann auch noch strafrechtlich belangt werden für die Ersthilfe, von Journalisten und Journalistinnen, die die Not sichtbar machen und versuchen die Informationen in die Welt zu tragen.
Und das ist einer der Knackpunkte, die das lesen so schwer gemacht haben. Die ganzen Grenzregionen sind zu schwarzen Löchern geworden. Menschen kommen dort an, sitzen für Jahre fest und niemand kümmert sich. Es gibt keine Informationen. Nicht wie es weiter geht, wie der Status des Asylantrags ist, es gibt keinerlei System das Hilfe oder Unterstützung bietet. Dieser Ausnahmezustand besteht immer noch. Nur interessiert es niemanden. Ich habe schon so viele Menschenrechtsverbrechen, Kriegsverbrechen und allgemeine Gewalt gesehen und trotzdem ist das was an den Grenzen Europas passiert ist nur schwer in Worte zu fassen. Es ist ein Ort an dem die basic Menschenrechte komplett ausgehebelt werden. Mit physischer und psychischer Gewalt, mit aller Macht werden die Geflüchteten komplett entmenschlicht. Durch den Vormarsch der rechten Parteien in ganz Europa geht es aber schon länger nicht mehr um Hilfe, gerechte Verteilung von Geflüchteten oder die Sorge für ein sicheres Herkunftsland. Es geht um Aufrüstung an den Grenzen, um Deals mit anderen Ländern, dass die sich kümmern - ein Scheitern auf allen Ebenen. Bei all der Bürokratie vergisst man gerne mal die Menschen, die in den Lagern (gerade die neuen griechischen Lager sind eher komplette Haftanstalten mit 24/7 Videoüberwachung, Stempelanlagen und Ausgangssperren) auf ihre Anträge warten. Die Autorin lässt neben all den sachlichen Infos genau diese Menschen zu Wort kommen und so werden all die bürokratischen Konstrukte mit einem Namen versehen und dürfen ihre Geschichte erzählen.
Es hat mir das Herz mehrmals gebrochen.
Dieser Realitätscheck ist nur schwer auszuhalten aber umso wichtiger, damit es mehr Aufmerksamkeit für die Verbrechen an den Außengrenzen Europas gibt. Ich mache mir da rein gar nichts vor, als ich das Buch auf meinen Social Media Kanälen gepostet habe (da landen alle gelesenen Bücher), gab es nicht einen Like. Nicht einen, auf sämtlichen Plattformen. Niemand will sich damit beschäftigen, viele werden auch denken „Hier haben will ich die Leute auch nicht.“ und deshalb hört kaum jemand mehr zu, wenn es um Geflüchtete und deren Rechte und Weiterreise geht. Schweres Thema, sehr gutes Buch und hiermit also mein kleiner Beitrag um die Aufmerksamkeit für diesen wichtigen Themenkomplex, zumindest ein bisschen, am Leben zu erhalten.
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