Jon Krakauer - In eisige Höhen
Das Drama am Mount Everest
Mhmmm, diese Story hat mich beschäftigt. Der Autor ist Journalist und wird 1996 auf eine geführte Tour an den Mount Everest geschickt. Dieses Buch hat er ca. ein Jahr nach dem erreichen des Gipfels geschrieben. Als Antwort auf seinen erschienen Artikel, der sehr viel Kritik bekommen hat. Den Artikel hat er nämlich etwa einen Monat nach der Tour veröffentlicht. Da stimmten einige Abläufe nicht und abseits davon, das was da am Berg passiert ist, kann detailgetreu wohl nicht mehr nachgezeichnet werden. Man kann es drehen und wenden wie man möchte, es bleibt eine absolute Katastrophe die da passiert ist. Die Schuld Frage will ich hier nicht mal stellen.
Im Grunde hatte ich mal wieder Lust auf ein Abenteuer. Da ich selbst niemals auf die Idee kommen würde, auf den höchsten Berg der Welt zu klettern um da in der Toposphäre auf einem Gipfel zu stehen, dachte ich mir, ja, ein Buch von jemanden der da hochgelatscht ist klingt gut. Es ist gut geschrieben, sogar Bilder sind mit dabei und die Erklärungen zu technischen Aspekten sind verständlich. Der Autor hat sich die Mühe gemacht, einige Leute und Mitstreiter nochmal zu interviewen um einen besseren Überblick über die Abläufe hoch am Berg zu bekommen. Denn seien wir ehrlich, ab einer Höhe von 6000-7000 Metern bekommt das menschliche Gehirn nicht mehr genug Sauerstoff und die extreme körperliche Belastung des Aufstiegs sorgt natürlich dafür, dass man Dinge durcheinanderwirft oder einfach halluziniert. Besonders wenn man am Gipfeltag, den Gipfel erreicht und dann wieder runter muss, in einem Gewitter, am Mount Everest auf 8000 Metern, im Stau am Hillary Step fast eine Stunde warten muss, der Flaschensauerstoff ausgeht etc. Keine guten Voraussetzungen.
Relativ auffällig beim lesen ist, dass der Autor sich ziemlich fehlerfrei darstellt. Er muss immer auf die anderen in der Gruppe warten, er hat noch genug Puste, während alle anderen sich schwer tun, er ist der Erste aus seiner Gruppe auf dem Gipfel etc. Diese weirde Perfektion zerfällt aber am Ende, wenn er im Gewitter den Berg weiter ins Camp 4 runtersteigt. Da glaubt er mit einem Teammitglied zu sprechen, der an ihm vorbeiläuft und dann abstürzt. Das gibt er im Camp dann auch so an, Meldungen gehen raus, Angehörige werden informiert. Die Person, die er meinte gesehen zu haben, ist aber wahrscheinlich einen Tag später, wesentlich weiter oben gestorben. Einen Suchtrupp konnte man nicht losschicken, da man glaubte, er sei abgestürzt. Vorab gesagt, wenn man rein die Zahlen betrachtet, sind in der Gipfelsaison 1996 nicht mehr Menschen als sonst am Mount Everest gestorben. Nur ein schwacher Trost für die Angehörigen, nur ist die gerade im Buch beschriebene Tour so katastrophal, dass mir einfach nur die Worte fehlen. Die menschlichen Abgründe sind hier auf Meeresspiegelniveau nur schwer zu verstehen und auszuhalten. Vermutlich gelten oben andere moralische Standards wenn man in einem Sturm auf 8000 Metern ist und verzweifelt versucht in Camp 4 auf 7500 Metern anzukommen. Ich weiß es nicht und möchte mir da gar kein Urteil anmaßen.
Einen kleinen Einblick möchte ich euch trotzdem geben, denn diese Story macht mich einfach komplett fertig: Beck Weathers. Auch beim Abstieg mit einer kleinen Truppe im Sturm falsch abgebogen, finden sie den Weg ins Camp 4 nicht. Sie sind nur 15 Minuten weg von den rettenden Zelten, entscheiden sich aber in einem kurzen Moment zwei Leute loszuschicken um Hilfe zu holen. Es klarte einmal kurz auf und es waren Sterne zu sehen, einer aus der Truppe konnte sich somit orientieren. Beck Weathers war aber in so schlechter Verfassung, dass er als Hilfe kam, kaum noch geatmet hat und eine zweite Person die im Schnee lag, ebenfalls mehr tot als lebendig war. Ihm wurde vom Hilftrupp noch das Gesicht enteist und es wurde festgestellt das ihm ein Handschuh fehlt, eine Hand also der Eiseskälte ausgesetzt war. Der Bergführer entscheidet sich, beide liegen zu lassen und umzukehren. Der Autor war da schon in Camp 4 im Zelt und versucht mit seinem Kollegen das Zelt soweit zu stabilisieren, dass es bei den Sturmböen nicht reißt. Alle in Camp 4 bekommen die Nachricht von den zwei fast Toten draußen und es wird entschieden, dass richtig gehandelt worden ist, sie liegen zu lassen. Nur nochmal zur Erinnerung, die hängen da auf 7500 Metern Höhe, in einem schweren Sturm und Temperaturen von -50 Grad.
Am nächsten Tag, das Wetter hatte etwas aufgeklart - immer noch sehr stürmisch, kommt Beck Weathers von allein ins Camp gelaufen. Komplett irre. Mit schwersten Erfrierungen an den Händen und im Gesicht wird er in ein Zelt geparkt. Es wird versucht Sauerstoff zu organisieren und es gibt einen Funkspruch ins Basis Camp, dass Beck Weathers lebt. All in all ist es aber noch zu stürmisch und ohne zusätzlichen Sauerstoff ist an einen Abstieg nicht zu denken. Also noch eine Nacht im Zelt. Wieder werden die Zelte aufs äußerste belastet, da der Wind dran zerrt. Und jetzt bitte anschnallen: Beck Weathers liegt allein in einem Zelt. Das reißt und die Plane erstickt ihn fast, da der Wind ihm das Zelt ins Gesicht klatscht. Die zwei Schlafsäcke in die er gelegt wurde, fliegen weg, er kann sie mit seiner erfrorenen Hand nicht mehr ranziehen und liegt dort die ganze Nacht der Kälte ausgesetzt. Seine Rufe werden nicht gehört. Der Rest ist davon ausgegangen, dass er es nicht überlebt. Am nächsten Morgen machen sich alle bereit zum Abstieg. Der Autor vom Buch schaut nochmal in das zerfledderte Zelt von Weathers und hört ihn da röcheln. Beck Weathers hat auch diese Nacht überlebt, obwohl niemand daran geglaubt hat und er im Grunde zum Sterben weggelegt worden ist. Ende vom Ganzen, er schafft den Abstieg. Mit Hilfe von anderen Teams, die zur Hilfe geeilt sind. Er wird dann kurz vorm Gletscher mit einem Hubschrauber abgeholt und ins Krankenhaus geflogen. Ein Unterarm musste amputiert werden, seine Nase musste neukonstruiert werden, einige Zehen sind weg und das Gesicht durch die Erfrierungen schwer vernarbt. Er wurde von allen, zwei mal abgeschrieben, im Stich gelassen und hat es trotzdem überlebt.
Es ist komplett irre. Am Ende vom Buch widmet der Autor noch gut 10 Seiten einem anderen Bergführer der mit dabei war und ebenfalls ein Buch über ebendiese Tour geschrieben hat. Da nimmt er sich die Zeit, das Buch komplett auseinanderzupflücken. Als ich dann gesehen habe worauf die letzten Seiten hinauslaufen, habe ich die geskipped. Denn ganz ehrlich, ich lege mich da auf gar keine Seite oder Ansicht fest. Ich war nicht dabei und unter so extremen Bedingungen ist sämtlich Geschriebenes mit Vorsicht zu genießen. Letztendlich war es eine typische Saison am Mount Everest. Für 65.000 Dollar konnte man damals auf den Gipfel geführt werden. Egal ob man schon Erfahrungen mit Bergen in der Klasse hat oder nicht. Es kann funktionieren, muss aber nicht. Die menschlichen Abgründe die sich an so einem Berg zeigen, zeigen mir lediglich, ich habe in den Bergen absolut rein gar nichts zu suchen. Egal ob groß oder klein, egal ob geführt oder mich da jemand hochträgt - einfach nein. Darüber lesen oder Dokus gucken, okay. Mehr aber bestimmt nicht. Was ein Desaster.
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