Asha Hedayati - Die stille Gewalt
Wie der Staat Frauen alleinlässt
Ich folge der Autorin schon seit einiger Zeit auf Twitter und habe mich sehr über die Buchankündigung von ihr gefreut. Heute war endlich Zeit und Raum da um es zu lesen. Allein dieser Blogpost zeigt es schon, ein sehr wichtiges und sehr gutes Buch, dass die institutionalisierte Gewalt gegenüber Frauen klar, deutlich und fundiert aufzeigt. Es geht vor allem darum, wie Frauen (auch transFrauen und non-binäre Personen zählen mit in den Begriff hinein) denen Gewalt angetan wurde, mit Hilfe von staatlichen Institutionen, im Stich gelassen werden.
Das Thema häusliche Gewalt wird viel zu oft totgeschwiegen oder einfach abgetan. Asha Hedayati, selbst Anwältin, zeigt hier auf 182 Seiten, wie die aktuelle Situation von Betroffenen aussieht und vor allem zeigt sie auch sehr deutlich auf, was sich ändern muss, damit die strukturelle Gewalt endlich aufhört. Sie zeigt wo es hakt. Zum Beispiel das wirtschaftliche Machtgefälle. Viele Frauen (besonders mit Kindern) sind nach der Trennung von ihrem gewalttätigen Partner, von Armut bedroht. Schutzeinrichtungen sind überfüllt, die Wohnungssuche ist zurzeit eh eine Katastrophe, einen Job finden, die Kinderbetreuung sichern. All das steht an und dann entscheidet sich der Mann dazu, sie mit lauter Klagen am Familiengericht zu überziehen. Warum? Weil er es kann und das Geld hat. Denn das wirtschaftliche Machtgefälle baut sich meist schon während der Beziehung auf. Der Mann geht arbeiten, die Frau kümmert sich um den Haushalt und ggf. um die Kinder wenn welche da sind. Durch die steuerlichen Vorteile die beim Ehegattensplitting herrschen, wird diese wirtschaftliche Abhängigkeit noch verstärkt. Es lohnt sich für die Frau gar nicht arbeiten zu gehen. Der Mann wird zum Alleinversorger und schafft somit eine Machtposition, die dann zum Vorschein kommt, wenn die Frau eine Trennung in Erwägung zieht. Das könnte ich noch ewig so weiterschreiben, doch viel klarer und strukturierter steht es in diesem Buch schwarz auf weiß gedruckt. Denn all das geschieht ja nicht nur im Privaten sondern auch auf rechtlicher Ebene.
„Rassismus und Sexismus machen nie an den Toren und Türen staatlicher Institutionen halt, sondern gehen mit Menschen hinein in Behörden, Ämter und Gerichte.“ (S. 101)
Es zeigt die Perspektive, die nicht in der Gesellschaft vorherrscht und gerade deshalb so wichtig ist. Fragen wie: „Warum hat sie sich denn nicht eher getrennt? Warum ist sie zurückgegangen, wenn doch alles so schlimm ist? Warum hat sie sich überhaupt auf so eine Beziehung eingelassen?“ tauchen dann immer auf. Rassismus und Queerfeindlichkeit spielen in dem Großen und Ganzen ebenso eine wichtige Rolle, wie die Frauenfeindlichkeit; gesellschaftlich sowie auch durch die staatlichen Institutionen. Denn warum fragen wir nicht: Warum gab es keine Hilfsangebote? Warum wird der Gewalttäter nicht gefragt, was ihm einfällt, seine Partnerin zu terrorisieren? Warum muss die Frau sich nach einer Trennung rechtfertigen? Warum ist der Glaube an die Hilfe von Polizei und Gerichten so gering? Warum halten von Gewalt betroffene Frauen so lange alles aus? Warum werden nicht endlich die Täter in den Fokus gerückt?
„Wenn wir von Emanzipation sprechen, denken wir noch viel zu oft nur an Frauen, die sich aus der Unterdrückung befreien sollen. Vielleicht sollten wir endlich von Männern erwarten, dass sie sich emanzipieren und Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen. Vielleicht verstehen sie dann auch, dass ihre eigene Freiheit von der Freiheit von Frauen und marginalisierten Gruppen und einer freien Gesellschaft für alle abhängt.“ (S. 176)
Um die von ihr besprochenen Punkte zu verdeutlichen, bringt Asha Hedayati Fallbeispiele von ihren Mandanten und Mandantinnen an. Das sind Geschichten, die alles real und greifbar machen. Deutlicher kann man die Missstände nicht zeigen. Dieser Mut der da aufgebracht wird, lässt mich voller Demut auf der Couch sitzen. Leider wird diese Demut durch Fassungslosigkeit abgelöst, wenn ich lese, was diese Familiengerichte entscheiden und vor allem wie Entscheidungen dort getroffen werden.
Es hat etwas mehr als drei Stunden gebraucht, dieses Buch aufmerksam zu lesen. Eine Leseempfehlung für alle, die wissen möchten, warum es Frauen so schwer gemacht wird, sich aus häuslicher Gewalt zu befreien und was die Politik und rechtlichen Institutionen machen beziehungsweise tun können um diese Gewalt zu stoppen.
Und ein Wort noch an alle Männer, die schon im Dreieck springen (denn Gewalt gegen Männer gibt es ja auch und Frauen werden immer begünstigt was Sorgerecht etc. angeht bla bla bla): Nehmt einfach die Flossen von der Tastatur und spart euch die Empörung. Diese Bühne hier gehört gerade all den Frauen die von häuslicher Gewalt betroffen sind oder waren. All den Frauen, die um ihre Kinder kämpfen und sich durch den Bürokratie Dschungel schlagen. All den Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen die sich um Schutzräume und Gewaltprävention kümmern und allen die ihre Aufmerksamkeit diesem Thema widmen und zumindest versuchen, die Perspektive und die Ungerechtigkeit anzunehmen.
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