Slavenka Drakulić - Mileva Einstein oder die Theorie der Einsamkeit
Gestern gelesen, heute schon hier. Es geht um die erste Frau von Albert Einstein, nachdem die Trennung durch ist. Mileva steht alleine da, mit zwei Kindern, keinem Einkommen und schlägt sich durch. Sie wird zwar von Albert Einstein finanziell unterstützt aber das reicht kaum für das Leben in der Schweiz. Vor allem da Mileva selber immer wieder ins Krankenhaus muss und ihr jüngster Sohn auch eher kränklich ist. Dazu kommt auch noch ein Baby, dass sie in Novi Sad bei ihren Eltern zurückgelassen hat und dieses dann (scheinbar) gestorben ist, bevor sie es nach Zürich holen konnte. Diese Schuld wird sie auf Schritt und Tritt begleiten. Es ist eines der traurigsten Bücher, das ich je gelesen habe.
"Trauer summiert sich wie in der Mathematik, dachte sie verbittert." (S. 154)
Wichtig ist dabei, diese Geschichte ist ein Roman. Die Autorin versucht sich in Mileva hineinzuversetzen und mit viel Einfühlungsvermögen ihre vermutlichen Gedanken aufzuschreiben. Das ganze Buch ist so geschrieben, dass man Mileva beim Denken und analysieren ihrer Situation beobachtet. Ich glaube, jeder kennt die Momente in denen man einfach rumsitzt und denkt. Es schießen einem Situationen aus der Kindheit oder Begebenheiten die Jahre her sind, in den Kopf und man denkt alles in einer Art Nachbetrachtung nochmal durch.
"Doch sobald sie sich beruhigt und in den Schlaf zu sinken hoffe, überfallen sie die Erinnerungen. In ihr hat sich Trauer für mehrere Leben angestaut." (S. 122)
Und genau diese Momente sind hier die Grundstruktur in dem Buch. Das macht es wahnsinnig geschmeidig zu lesen. Selbst wenn die Gedanken etwas springen, kommt man immer gut mit und es lässt sich mit Empathie sehr viel mitfühlen. Hier auch der Hinweis, es ist wirklich ein sehr trauriges Buch. Mileva hatte kein einfaches Leben. Zudem Depressionen, die sich auch physisch auswirkten, so dass sie sich teilweise nicht mehr bewegen konnte. Körperliche Beeinträchtigungen, ein krankes Kind, aufgegebene Träume und ein Exmann der ihr das Leben zur Hölle macht. Sie ist eine beeindruckende und sehr kluge Frau. Ist aber an dem Versuch alles richtig zu machen gescheitert. Das realisiert sie auch und es bricht mir das Herz, vor allem, wenn man es wie hier in Romanform nochmal schwarz auf weiß stehen hat. Ob sie sich wirklich so gefühlt hat, weiß man nicht, es ist aber im Rahmen des Möglichen. Das macht es umso trauriger.
"Solche Augenblicke der Ruhe sind selten und kurz, eine Atempause zwischen den Unglücken, die sich aneinanderreihen." (S. 168)
Im Buch gibt es auch Originalzitate aus dem Schriftwechsel zwischen Mileva und Albert. Ich war schon vertraut mit der Geschichte von ihr, daher war es schön, sie im Mittelpunkt zu sehen und das eine Autorin versucht, die Gedanken und Gefühle von Mileva aufzuschreiben. Denn von Mileva selbst gibt es leider kaum Zeugnisse. Wer Interesse an der kompletten Geschichten von Mileva hat, kann sich kompakt zusammengefasst die Folge über sie vom HerStory Podcast anhören. Die findet ihr hier.
Albert Einstein war ein großartiger Wissenschaftler. Sein Umgang mit Mileva zeigt aber sehr deutlich, dass er menschlich ein Totalausfall ist. Komplett ekelhafter Typ und sein Verhalten lässt sich nicht mit seiner Genialität im Bereich der theoretischen Physik entschuldigen. Zudem nervt mich seine unglaubliche Ignoranz. Mileva hat soviele Berechnungen für ihn gemacht, die er einfach übernimmt ohne sie irgendwo zu Benennen. Mileva hat es so hingenommen und versucht das Beste aus ihrer Situation zu machen. Beeindruckend aber dieses Buch hat mich schwermütig und nachdenklich hinterlassen. Ein Funken Hoffnung schwingt trotz allem mit. Denn endlich hat Mileva eine Stimme bekommen, auch wenn es nicht ihre eigene ist. Ich glaube, sie wäre mit diesem Roman einverstanden.
Wenn ihr also die Möglichkeit habt, schaut in dieses Buch und auch in die Biographie von Mileva Einstein, geborene Marić, gerne mal rein. Ihr macht nichts verkehrt damit.
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