Aleksandar Tišma - Das Buch Blam

 

Direkt vorab: Das ist eines der besten Bücher das ich je gelesen habe. 

Es geht um die Geschichte von Miroslav Blam, seinen Eltern, seiner Schwester, seinen Freunden und seiner Ehe. Zeitrahmen des Ganzen ist der zweite Weltkrieg und die 50er Jahre. Ort des Geschehens ist Novi Sad, eine Stadt an der Donau im Norden von Serbien. Die Familie Blam ist jüdisch, lediglich Miroslav Blam, der Protagonist im Buch, heiratet eine christliche Frau und wechselt auch offiziell, durch eine schnell durchgeführte Taufe, den Glauben. Die Deportation bleibt ihm dadurch erspart. Ein großer Themenblock ist auch die von den Deutschen und Ungarn durchgeführte Razzia in Novi Sad. Das ist der Teil, bei dem mir das Herz ziemlich schwer wurde. Die Seiten des Buches fliegen nur so dahin, während man voller Eile und Hektik alle Schicksale der mit Blam verbundenen Personen erzählt bekommt. Soviele Dinge die einem dabei durch den Kopf gehen. All die Gewalt, die Tragik, die Hoffnungslosigkeit und vor allem die Sinnlosigkeit des Mordens sind fast greifbar. Man sitzt kopfschüttelnd davor, wie kann sowas nur passieren? 

Nur Miroslav Blam überlebt. Zusammen mit seiner Frau Janja und seiner jungen Tochter lebt er einen Alltag, den niemand seiner Angehörigen oder Freunde hat. Daraus resultiert die Schwere, die im ganzen Buch, in der ganzen Geschichte zu finden ist: Die Schuld überlebt zu haben. Dieses Gefühl von Schuld macht Tišma mit diesem Buch ziemlich gut greifbar. Denn machen wir uns nichts vor, der Großteil von uns, hat keine Ahnung davon wie es im Krieg ist und vor allem wie es sich anfühlt, wenn man überlebt hat oder flüchten kann. Mit dem stetigen Gedanken im Hinterkopf, dass man alle im Stich gelassen hat, dass man es gar nicht verdient hat zu leben. 

Das Buch Blam ist eine Geschichte über Schuld, tiefe Einsamkeit und den stoischen Routinen eines Alltags, die ein funktionieren in der Welt trotz allem möglich machen. Diese Geschichte und auch die Art der Erzählung, sowie der Schreibstil haben mich sehr getroffen. Diese Sätze sind teilweise einfach nur zum niederknien und ich saß davor und habe mir sie so lange angeschaut, bis ich sie auswendig konnte. Als Beispiel dafür hier ein Auszug. Blam hat seine Frau Janja von der Straßenbahn aus gesehen, wie sie einen anderen Mann umarmt. Und zwar so innig, das klar wird, dass sie ein Verhältnis mit diesem Mann hat. Kurz vor Ende des Kapitels taucht dann dieser Satz auf: 

„Dieses Glück unterschied sich so bildhaft, fast greifbar von seinem eigenen Unglück, daß Blam es bei allem Schmerz, den er empfand, herausheben und in sich ausstellen konnte wie einen schönen, in seiner Harmonie unergründlichen Gegenstand, den er bewundern konnte, obwohl er wußte, daß er ihn nie besitzen würde.“ 

Aleksandar Tišma - Das Buch Blam, S. 28


Ist das nicht beeindruckend? Einige würden vielleicht sagen, naja, etwas kitschig. Find ich aber gar nicht. Dieser Satz ist so schön und gleichzeitig so traurig, dass es mir bei jedem Lesen die Tränen in die Augen treibt. 

Ein anderes Beispiel ist kurz vor Ende des Buches. Blam trifft einen jüdischen Immobilienmakler bei einem Konzert des Kammerorchesters in der lokalen Synagoge. Die Synagoge wurde von der Stadt gekauft, da sie niemand mehr nutzt bzw. nutzen kann, nach dem Krieg. Es sind keine Juden mehr da. Die beiden unterhalten sich, dann geht das Konzert weiter und Blam entscheidet sich zu gehen. Er will eigentlich lieber allein sein. Um die Unentschlossenheit zu zeigen lässt Tišma ihn folgendes sagen: 


„Seit langem hat ihn niemand mehr zum Mitkommen aufgefordert, und obwohl er gar nicht weggehen möchte, ist die Welt ärmer ohne diese Bitten.“ 

Aleksandar Tišma - Das Buch Blam S. 228


Wenn ihr also mal die Möglichkeit habt Das Buch Blam zu lesen, go for it. Ich hab es mir Second Hand besorgt, da es ein Buchtipp aus der Neues vom BallaBalla Balkan Episode 33 war (hier mit Literaturliste zu finden: Klick mich). Meine schreiberischen Fähigkeiten reichen leider nicht aus um auszudrücken was diese Geschichte mit mir macht. Es rührt mich auf so vielen Ebenen und dabei ist es nur ein Buch. Aber genau deswegen lese ich soviel. Immer mal wieder ist eines dabei, das mich komplett aus dem Leben tritt. Blams Geschichte, ist so eine. 

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