Stanislav Aseyev - Heller Weg
Geschichte eines Konzentrationslagers im Donbass 2017-2019
Ein schweres Buch. Die Realität sorgt für die schlimmsten Geschichten. Nur ist es eben nicht unsere Realität die so aussieht. Daher ist dieses Buch so wichtig und auch aktuell mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in diesem Jahr. Denn der eigentliche Krieg ging schon 2014 mit der Besetzung der Krim durch Russland los. Seitdem herrscht in den östlichen besetzten Gebieten der Alltag, der sich in diesem Jahr weltweit in den Nachrichten findet.
Es hat halt kaum jemanden interessiert. Zu weit weg, nicht sichtbar genug, nicht wichtig genug, keine große Reaktion im allgemeinen. Der Terror, die Folter, all das Leid sind im Alltag der Welt mit all den schlimmen Nachrichten unter den Tisch gefallen und war fast nur in der Osteuropa Bubble präsent. Wer sich nicht explizit darüber informiert, hat nichts mitbekommen.
Alles was der Journalist Aseyev aus der russischen Gefangenschaft beschreibt, lässt mich in einem fassungslosen Zustand zurück. Ich kann gar nicht anders als weinen und Löcher in die Wand starren, da dieses Leid und dieser Schmerz anders nicht auszuhalten sind. Er sitzt ja nicht allein in diesen Lagern, in den Folterkellern. Allein die Tatsache, dass immer noch Menschen in dieser Hölle festsitzen und trotz allem noch leben und nicht aufgegeben haben, eine Dimension die mich komplett fertig macht. Ich will das all die Geschichten nicht einfach ausgelöscht oder vergessen werden. Es gibt diese Gefangenen und ich will sie nicht vergessen, denn wenn das passiert, hört auch die Hoffnung auf. Oft sagen die Menschen im Krieg „Bitte vergesst uns nicht.“ und das ist der Grund warum ich mich in diese Geschichten so einarbeite. So lange ich mich damit beschäftige, sind all die verschleppten, gefolterten oder im Krieg befindliche Menschen mit ihren Geschichten nicht weg. Das ist alles was zählt und was ich tun kann (neben, leider unregelmäßigen, monetären Spenden an Hilfsorganisationen vor Ort). Daher halte ich das aus. Auch wenn es mir teilweise sehr, sehr schwer fällt. Im Vergleich zu den erlebten Geschichten ist es Nichts.
Und genau deshalb, müssen wir diese Geschichten lesen/hören. Wir müssen all jenen zuhören. Kein Kommentar oder nette Worte notwendig. Maul halten und zuhören. Das ist das einzige was für diese gebrochenen Menschen (der englische Begriff: shattered personalities passt meiner Meinung nach besser) tun können. Eine einseitige Aufmerksamkeit schaffen, ohne ein- oder vorzugreifen.
Wir können es eh nicht nachvollziehen. Egal wie wir uns anstrengen. Wir können nicht nachfühlen wie es ist, täglich gefoltert zu werden (mit jeglicher Form an physischer Gewalt), zu hungern, jeden Tag ein Hoffen zwischen sterben und überleben wollen zu durchdenken, wie es ist, sich selber aushalten zu müssen unter all dem psychischen Druck der ausgeübt wird. Wir alle, die nicht vor Ort sind, haben einfach keine Ahnung. Das ist okay, nur sollten wir das Wort dann denen überlassen, die in der Lage sind uns darüber zu berichten.
Wie gesagt, es ist schwer auszuhalten, es ist aber kein torture porn, es ist ein Einblick in den Alltag und die damit einhergehenden Gedanken mit denen Aseyev sich zwei Jahre lang in russischer Gefangenschaft auseinandergesetzt hat. Das er das überlebt hat und dieses Buch geschrieben hat, grenzt an ein Wunder. Beeindruckend und empfehlenswert. Denn wie immer: Perspektive ist wichtig.
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