Ivo Andrić - Die Brücke über die Drina

 



Das war eine wilde Reise. Aufgeschnappt als Tipp auf Twitter, habe ich mir gedacht, ich schau mir das mal an. Weltliteratur, Literaturnobelpreis… irgendwas Besonderes muss es schon sein. 

Die Brücke über die Drina ist ein historischer Roman in Anlehnung auf die real existierende Mehmed-Paša-Sokolvić-Brücke in Višegrad, Bosnien und Herzegovina. Man begleitet die Dorfbewohner durch mehrere Jahrhunderte hindurch. Die einzige Konstante im Buch ist die Brücke. 

Die einzelnen Geschichten sind berührend, mal traurig, mal tragisch, halt alles was sich über Jahre hinweg in die Geschichte eines kleinen Städtchens gräbt und als Erzählung weitergegeben wird. Im Grunde ist auch die Frage „Was geht in die Geschichte eines Dorfes bzw. später dann kleinen Städtchens, in die Geschichte ein?“  von Andrić ziemlich klar beantwortet. Es sind immer die schlimmsten Dinge die passieren und die sich in die Erinnerung graben und weitererzählt werden. Ob nachfolgende Generationen zu warnen oder zu lehren, es heften sich immer die Katastrophen fest. Diese Erinnerungskultur packt Andrić in seinen Schreibstil und tritt als ein Erzähler auf, der im Grunde seinem Publikum erzählt, wie es damals war. Nicht so verspielt wie zum Beispiel in Märchen aber doch nahe dran. Damit lässt sich dann auch erklären, warum man sich zu Beginn des Buches, der türkischen Herrschaft im Dorf und dem Beginn vom Bau der Brücke durch eine Pfählung quälen muss, die gut drei Seiten lang detailliert beschrieben wird. 

Ich bin wirklich nicht zimperlich aber da musste ich einen Tag Pause einlegen. Einige Seiten später, wird das Dorf überflutet. Die alten Anführer der verschiedenen Religionsgruppen (Christen, Muslime, Juden) sitzen alle zusammen die Nacht hindurch und beruhigen sich und die Bewohner, das es alles schon wieder wird. In den schlimmsten Momenten einer Gemeinschaft, sind Glaube und Ansicht auf die Welt komplett egal. Man sitzt trotz aller Unterschiede zusammen und freut sich insgeheim mit dem Leben davon gekommen zu sein. Ein unsichtbares Band zwischen allen Menschen, dass durch solche extremen Situationen gewebt wird. Und genau deshalb, ist diese Pfählung mit drin. Sie schweißt die Bewohner über alle Unterschiede hinweg zusammen. Es ist so schrecklich, dass sich alle einig sind und es nicht mal den Hauch eines Zweifels an der Schrecklichkeit der Situation gibt. Egal welcher Glaube, ob arm ob reich. Diese Erkenntnis wird nicht nur den Dorfbewohnern klar, sondern wird auch dem Leser, der Leserin ins Gesicht gedrückt. Der Autor hat vollkommen Recht und hat es mit dieser brutalen Beschreibung geschafft, den Leser oder die Leserin mit in die Gemeinschaft der Einigkeit zu ziehen. Man wird ein Teil des Ganzen, das merkt man aber erst nach einer kurzen Erholungspause.   

Es gibt keinen wirklichen Hauptcharakter der im Buch begleitet wird. Manche tauchen öfter auf, andere eben nicht. Was in jedem Kapitel auftaucht, ist die Brücke. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt. Die Geschichten sind aber allein schon durch den wunderbaren Schreibstil sehr angenehm zu lesen. Ich gebe gern zu, dass man sich an den Stil gewöhnen muss. Zu Anfang kommt er etwas träge daher aber mit der Zeit und mit mehr Wissen, lässt sich das ziemlich gut runterlesen. Und lesen sollte man es auf jeden Fall! 

Die Brücke über die Drina gehört zur sogenannten Bosnischen Trilogie, die Andrić 1945 veröffentlichte. Die anderen dazugehörigen Bücher sind: 

- Wesire und Konsuln (hab ich hier sogar schon im Regal stehen)

- Das Fräulein 

Weltliteratur ist immer so ein großes Wort. Literaturnobelpreis, ja ist gut. Oft sind die Geschichten dann, zumindest für mich, zu klein für die großen Bezeichnungen. In diesem Fall aber absolut berechtigt. Ich werde mir die zwei anderen Titel von Andrić auch noch durchlesen. Wer also Lust hat, einem Dorf beim wachsen zuzuschauen und wie es sich durch die Geschichte und unter verschiedenen Herrschaften durch die Zeit lebt, nehmt euch das Buch ruhig mal vor. Es lohnt sich. 

Und da in jedem Artikel, den ich zum Buch oder zum Autor gelesen habe, drinsteht: 

- Orient trifft Okzident

- das Zusammenleben von verschiedenen Kulturen und Religionen

- Jugoslawien 

möchte ich euch die Schlagworte natürlich nicht vorenthalten. Was ihr daraus macht, ist euch überlassen. 

Grüße 

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