Daniela Dröscher - Lügen über meine Mutter
In den letzten Tagen musste ich einiges an Wartezeit überbrücken. Daher hab ich mir diesen Roman vom Stapel geangelt. Irgendwann mal aufgeschnappt, gestapelt und nun fertig entstapelt.
Die Autorin schreibt hier biografische Szenen ihrer Kindheit auf, mit besonderem Blick auf ihre Mutter. Außerdem der Blick auf die Familiendynamik insgesamt. Alles im Dorfsetting im tiefsten Rheinland-Pfalz der 1980er Jahre. Denn die Ehe von Elas Eltern ist vom außen betrachtet an Tragik und Hass nur schwer auszuhalten. Das ist es, was dieses Buch ausmacht. Szenen aus dem Alltag, Mutter & Vater, zwei Kleinkinder, ein Pflegekind, Schwiegereltern, eine pflegebedürftige Oma, Arbeit, Haushalt und das bestimmende Thema: das Übergewicht von Elas Mutter. Teilweise sind die Szenen nur schwer auszuhalten. Insbesondere wenn der Vater seiner Frau ständig vorhält, sie sei zu dick und müsse abnehmen, er schäme sich für sie und noch vieles Schlimmes mehr. Teilweise geht es soweit, dass der Typ ihr eine Waage mit nach Hause bringt und sie zwingt, sich jeden Morgen in seinem Beisein zu wiegen. Ela war zu der Zeit im Grundschulalter, die Szenen werden also aus ihrer Sicht als Kind beschrieben. Am Ende von einigen Kapiteln gibt es dann noch einige Gedanken oder Betrachtungen von der Autorin aus heutiger Sicht auf die Vorkommnisse damals.
Was mich so berührt, sind diese kleinen Mysterien die vielleicht jede Familie mit sich herumträgt. Dinge oder Sachen die nie richtig erklärt wurden und man einfach verpasst hat, nach weiteren Infos zu fragen. Manche Rätsel oder Geheimnisse sollten einfach da bleiben wo sie sind, bin ich ehrlich. Trotzdem musste ich an einige Szenen aus meiner Kindheit denken. Aus heutiger Sicht mehr als problematisch was damals so lief aber es war eben so. Man hat sich nichts dabei gedacht und es hat zudem niemand groß kommentiert.
Ich konnte bis heute nicht herausfinden, warum mein Vater im ganzen Haus Geld versteckt hat, ohne das irgendjemand davon wusste. Es ist nur aufgefallen, da ich die Scheine beim wöchentlichen putzen gefunden hab. Ich war so ehrlich und habe nichts eingesteckt und wieder zurückgelegt, nachdem ich meiner Mutter einmal erzählt habe, dass ich was gefunden habe und sie es dann einfach in ihr Portmonee gesteckt hat.
Meine Verwunderung an dem Tag, als ich mit meiner Mutter einkaufen war und die Kassiererin sie fragte, ob sie nicht mal einen Second Hand Laden hatte, kann ich kaum beschreiben. In unserem Wohnzimmer gab es scheinbar mal einen Second Hand Laden, von dem ich nichts mitbekommen habe, wahrscheinlich war ich da noch zu klein aber es hat niemand jemals darüber gesprochen. Meine Mutter hat das lediglich kurz bestätigt und meinte, das sei schon lange her. Das wars. Imagine.
Dieser Roman zeigt sehr schön, wie sich über eine lange Zeit die Perspektive auf die Kindheit dreht und wie man anfängt, Dinge zu hinterfragen sowie den Blickwinkel auf bestimmte Szenen oder Personen zu ändern. Das hat mir gut gefallen, besonders das die Mutter von Ela ein Geheimnis bewahren konnte und sich jahrelang durch diese Hölle gequält hat, um sich doch ihre Freiheit und die Bestimmung über ihren Körper zurückholt.
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