Anna Politkovskaja - Tschetschenien
Die Wahrheit über den Krieg
Dieses Buch habe ich in einem Podcast mal aufgeschnappt. Vor kurzem dann endlich gefunden und direkt gekauft. Die Autorin ist bekannt für ihre Reportagen aus Tschetschenien. Vor allem in Bezug auf die Kriege und die Korruption innerhalb des russischen Oberkommandos. Die Menschenrechtsaktivistin hat den Menschen vor Ort ihre Stimme geliehen und hat in ihren Artikeln alles schonungslos offen gelegt. Sie wurde 2006 in Moskau ermordet. Eine beeindruckende Frau. Nachdem ich das Buch nun gelesen habe umso mehr.
Es ist in drei Teile aufgeteilt: 1. Teil Leben im Krieg - Tschetschenischer Alltag, 2. Teil Leben vor dem Hintergrund des Kriegs - Realität in Russland, Teil 3. Wer braucht diesen Krieg?
Vorab ein paar Infos: Der erste Tschetschenische Krieg fand von 1994-1996 statt. Danach folgte von 1999-2009 der zweite Tschetschenische Krieg. Das Buch wurde 2002 geschrieben und gibt daher Auszüge aus dem zweiten Krieg wieder. Russland marschiert in Tschetschenien ein, mit einer Anti-Terror-Operation. Eine gute Zusammenfassung der Kriege gibt es auch am Ende des Buches. Das Ende vom zweiten Krieg hat die Autorin nicht mehr miterlebt. Diese Tatsache hat mich noch länger beschäftigt.
Die einzelnen Teile vom Buch beschreiben sehr gut, worum es geht. Alle die wissen wollen, was Krieg bedeutet finden hier klare und ungeschönte Auszüge. Es ist teilweise nur schwer zu ertragen. Besonders, da scheinbar niemand diesen Krieg wahrgenommen hat. Die Zivilbevölkerung war allem schutzlos ausgeliefert und das, wenn man überlebt hat, ohne eine Chance auf Anerkennung der Menschenrechtsverletzung, Hilfe oder Kompensation war. Da wurde ein ganzes Land in Grund und Boden gebombt, gefoltert, schikaniert und ausgeraubt. Sämtliche Organe wie die UNO scheiterten am Veto von Russland, das einen Sitz im Sicherheitsrat hat. Ich bin wirklich einiges gewohnt was Kriegsberichterstattung angeht aber in diesem Fall ist die Hoffnungslosigkeit und das blanke Entsetzen einfach so tief.
Mit dem heutigen Wissen liest man dieses Buch, schweift bei einer Pause mit den Gedanken zur Ukraine und versteht die Blindheit der Welt nicht.
Im zweiten und dritten Teil geht es dann um die Motive von Russland für diesen brutalen Krieg. Es geht um Geld, Macht und Ressourcen. Tschetschenien hat einiges an Erdöl im Boden, an dem es viel Interesse gibt. Das Militär, die Duma Abgeordneten, die FSB Männer werden überall positioniert und installiert, wo es wichtig erscheint. Ahmad Kadyrow, der Vater von dem aktuellen Präsidenten Ramsan Kadyrow, ist da nur einer von vielen. Dagestan, das Nachbarland von Tschetschenien wird auch näher betrachtet und anhand dessen, kann man dank der Autorin sehr gut sehen, wie Putin dazu übergeht, Kreml nahe und loyale Leute überall einzuschleusen.
Tschetschenien war immer ein etwas leerer Fleck für mich. Ich kenne die Bilder vom zerbombten Grosny, ich kenne die Vergleiche (sei es Syrien oder die Ukraine) aber viel mehr vom Hintergrund hatte ich nicht auf dem Schirm. Da hat dieses Buch mir eine Menge an Informationen gegeben. Es ist gut strukturiert, hat immer wieder kleine Einführungen zu bestimmten Themen oder Gebieten, die mir das Einlesen sehr viel einfacher gemacht haben.
Ein schweres aber so wichtiges Buch, denn es ist eines der Dinge, die den Menschen in Tschetschenien eine Plattform gibt und die Zusammenhänge ohne Einfluss von irgendeiner Seite darstellt. Beeindruckend. Trotzdem der Hinweis, die Alltagsbeschreibungen im ersten Teil sind voller Gewalt, Angst, Folter und Menschenverachtung, hervorgerufen von den russischen Einsatzkräften. Diese Einblicke sind wichtig, ja, sie sind nicht beschönigt aber auch nicht ausgeschmückt. Sie dienen allein dazu, den Menschen außerhalb zu zeigen was gerade in Tschetschenien passiert. Das sollte man vor dem lesen auf jeden Fall wissen. Denn die Autorin war vor Ort, hat mit den Menschen gesprochen und wurde selbst von den Russen an einem Filtrationspunkt festgehalten.
Wenn man mehr über Russland, die Motive und die Kriegsführung der Russen wissen möchte - here you go. Alle die sich schockiert über die russischen Angriffe auf die Ukraine zeigen, es war alles schon vorher da. Das was Tschetschenien passiert ist, droht auch der Ukraine.
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