Caroline Wahl - 22 Bahnen
Bücher die einen ziemlich großen Hype erleben und ich - leider immer eine schwierige Kombi.
Habe mich heute trotzdem ins Bett gesetzt (war eh schlecht Wetter) und 22 Bahnen durchgelesen. Ich verstehe den Reiz an der Geschichte, als Film wird es sehr gut funktionieren. Es ist eine Alltagsbeschreibung einer jungen Frau, die gerade ihren Master in Mathematik fertig macht, die sich gleichzeitig um ihre kleine Schwester kümmert, da die Mutter der beiden Alkoholikerin ist und somit zwischen depressiven Phasen und Gewalt das Zuhause der beiden bestimmt. Tilda hat ihre kleine Schwester Ida im Grunde großgezogen und ist nie aus der Vorstadt herausgekommen. Nach dem Abi sind ihre Freundinnen und Freunde weg in die weite Welt gezogen, sie wohnt weiterhin zu Hause, arbeitet an der Supermarktkasse, studiert, schwimmt jeden Abend im Sommer 22 Bahnen im Freibad und kümmert sich um ihre kleine Schwester. Natürlich kommt für Tilda ein Mann mit ins Bild, der zum Teil mit ihrer Vergangenheit verknüpft ist. Die Geschichte an sich ist gut geschrieben und verwoben, es lässt sich gemütlich weglesen. Ein paar schöne Nuancen hat Caroline Wahl absolut getroffen, die ich als Sidenotes, im großen Ganzen, im Kopf notiert habe.
Nur erschließt sich mir der Hype absolut nicht. Eventuell liegt es an meiner eigenen Familiengeschichte und Erfahrungen, dass ich nicht groß mitfiebern oder mich über die Mutter empören konnte. Vielleicht ist es auch die mitschwingende Heroisierung von Menschen die durch ein völlig kaputtes System, dass die beiden Kinder bei der alkoholkranken Mutter allein gelassen hat, ihren Weg allein finden mussten. Weil der Vater bzw. die Väter sich zudem einfach verpisst haben und keinerlei Verantwortung außer Unterhalt übernommen haben. Kein Kind sollte den Notarzt rufen müssen, da die Mutter bewusstlos auf dem Sofa liegt, mit Xanax und mehreren Litern Alokohol intus. Geschwister sollten sich nicht umeinander kümmern, weil sonst niemand da ist. Das geistert mir die ganze Zeit im Kopf herum. „Du schaffst das schon. Auch mit einer kaputten Familie kann man was werden.“ Das ist absolut korrekt, nur fühlt es sich ein bisschen nach mitleidiger Bewunderung an, die mir einfach gar nicht passt. Was aber die Situation mit Tilda und Ida macht, wird gut beschrieben. Ein Haufen an Gefühlen: von Verantwortung, Trauer, Wut, Hass und Mitleid. Teilweise völliges Chaos, nur allzu verständlich und doch die Lebensrealität von vielen. Das diese Perspektive einem breiten Publikum bekannt wird ist definitiv gut. Ich bin trotzdem zwiegespalten ob der eigentlichen Präsentation. Es ist wichtig und richtig, dass es diese Geschichten mal ins Rampenlicht schaffen, daher will ich dieses Buch gar nicht groß kaputt reden.
Was das mit den Libellen soll, ich habe derzeitig noch nicht den Hauch einer Ahnung. Wenn da jemand mehr weiß, gerne melden.
Overall gutes Buch, kann man lesen. Einen Film dazu würde ich mir anschauen, hat aber das Potenzial ein bisschen kitschig zu werden. Was nicht immer was Schlechtes sein muss.
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