Felix Dachsel - Abwarten und Bier trinken

 


Aus dem Leben eines Leistungsverweigerers

Ein Buch das hier auch schon länger rumlag. Schade eigentlich, denn ich hab es innerhalb von gut drei Stunden fertig gelesen. Der Schreibstil ist einfach so flüssig und von einem feinen Humor durchzogen, dass man nicht anders kann als es zu Ende zu lesen. Zudem gibt es in einem späteren Kapitel einen Hinweis, wieviele Seiten noch kommen. Sehr zuvorkommend vom Autor. 

Im Grunde geht es um die Trägheit von Felix. Eine Schwäche für Mittagsschlaf, die Kapitulation vor Herausforderungen und das Scheitern am Weg. Das klingt alles etwas traurig, ist es aber nicht, wenn man die Sicht ändert. Perspektive ist so wichtig. 

Felix Dachsel hat in München angefangen zu studieren, Neuere Deutsche Literatur, Psychologie und Spanisch. Er hält ein Semester durch und gibt im Buch wertvolle Tipps, wie man Referate gut über die Bühne bekommt. Ich habe damals in meiner Uni Zeit auch ganz unbewusst einiger dieser Tipps genutzt. Die sind also nicht realitätsfern. 
Das zweite Studium hat er in Freiburg angefangen: Politikwissenschaft und Islamwissenschaft. Abgeschlossen hat er das nicht, dafür aber länger durchgehalten: zwei Jahre. 
Und in diesem Zeitrahmen bewegt sich auch das Buch. Spoiler Alert: trotz all seiner Strategien um Arbeit aus dem Weg zu gehen, sich nicht zu sehr anzustrengen (vielleicht aber auch genau deswegen) hat er es zum Chefredakteur gebracht. Derzeitig noch bei Vice, ab November 2022 wechselt er zum Spiegel. Weg gefunden und erfolgreich. 
Dieses Buch ist einfach viel mehr als nur eine humoristische Darstellung eines Faulenzers, der studieren geht, weil er keine Ahnung hat was das alles soll. Das einzige was immer klar formuliert wird, sind die Anforderungen eines Systems, dass nichts anderes duldet außer Arbeit und machen. Diese Mantras bekommt jeder von uns schon in der Kindheit mit auf den Weg. Im Buch hat Felix deshalb auch immer einen kleinen schwäbischen Beamten auf der Schulter, der ihm seine Faulheit vorwirft und immer sagt: „Das geht so nicht!“. 

Aber warum nicht? Warum ist es nicht okay sich in den Park zu legen und einfach mal ein paar Stunden zu Schlafen? Warum müssen wir die Löcher in unseren Lebensläufen nett dekorieren oder umschreiben? Warum ist Arbeitslosigkeit so stigmatisiert? Warum müssen wir immer sofort wissen wozu etwas gut ist und einen Plan für alle Eventualitäten haben? 
All diese Fragen tauchen auf, während man liest und lacht, weil er seinen Laptop in eine Lidltüte steckt und damit in die Uni geht, weil er in eine Sinnkrise über ein Hamstervideo gerät und somit kein Stück weiter mit seiner Seminararbeit kommt und auch als er sich in Gedanken schon einen Treppenlift gekauft hat. 
Dann taucht die Geschichte zu seinem ersten Praktikum in einer Lokalredaktion auf. Wie er beim Vorstellungsgespräch sitzt und eigentlich gar keinen Bock hat. Er muss es halt machen und in Gedanken taucht die Sofortrente auf, die man beim Lotto spielen gewinnen kann, die er wesentlich lieber hätte als den Job. 
Da habe ich schallend losgelacht. Ich habe mich direkt ertappt gefühlt und ich muss immer noch lachen. Denn diese Sofortrente (mehrere tausend Euro, jeden Monat, bis ans Lebensende, ohne irgendetwas zu tun) war schon immer ein Traum. Ich spiele kein Lotto aber dieses Konzept einer Sofortrente wohnt mietfrei in meinem Kopf, in einem kleinen Winkel unter der Treppe zu meinem 30 Stunden Job, den ich aktuell mache. 

Auch die ganzen Charaktere die er während seines Studiums trifft. Das ist einer der Punkte, warum ich damals auch so gerne studiert habe. Viele kann man kategorisieren und einordnen und dann sind aber einfach Menschen da, die so völlig anders sind als man selbst. Die Kategorisierung bzw. die Gruppeneinteilung wird im Buch natürlich besprochen. Jeder Student, jede Studentin kann irgendwo einsortiert werden. Schon immer. Ich habe immer noch ein Herz für alle, die dem System nicht folgen. Die den Mut haben anders zu sein, ihre Pläne durchsetzen, einfach einen anderen Lebensentwurf und ihr Glück gefunden haben oder  sich zumindest die Mühe machen es zu suchen. Egal was das System aus Standards von dir verlangt oder was du daraus machst. Ein Herz für alle, die den Mut haben das zu tun, was sie wollen. Egal ob man den Bachelor in fünf statt sechs Semestern macht, egal ob man zehn Semester braucht oder es nach 12 Semestern mit bereits geschriebener Bachelor Arbeit und noch zwei fehlenden Seminarblöcken und einer mündlichen Prüfung im Zweitfach, abbricht und nicht mehr hingeht. (Keine Ahnung woher die Details im letzten Beispiel kommen… natürlich hab ich meinen zweifach Bachelor in Geschichte und Skandinavistik abgebrochen!) 

Die Geschichten von Felix zeigen ganz klar, es ist okay das Studium abzubrechen. Niemand kann direkt wissen wo die Reise nach der Schule hingehen soll. Vielleicht merkt man erst nach zwei, drei Semestern das es nicht das Richtige ist. Wenn das klar ist, abbrechen. Quält euch nicht, weil alle sagen, man muss angefangenes auch beenden. Unfug. Oder anders formuliert: hört einfach eurem inneren Monolog mal zu und lasst das rechtfertigen sein. 
Fast schon ein bisschen witzlos, dass ich das schreibe. Denn mir wurde dieses: Du musst arbeiten! Du musst was aus deinem Leben machen, das geht halt nur mit einem guten Job und Geld etc pp. von klein auf eingeprügelt, dass es mir immer noch schwer fällt alles hinzuwerfen und neu durchzustarten. Fange aber mit kleinen Schritten an und dann schau ich wo die Reise hingeht. Und auch das ist vollkommen okay. Es gibt keinen perfekten Weg für das Leben, denn Perfektion ist letztendlich auch einfach nur ein Konzept das sich irgendjemand aus dem Ärmel geschüttelt hat, an das aber niemand mehr rütteln mag, da es sich eben so „eingebürgert“ hat. 

Ein wirklich gut geschriebenes Buch, mit einem feinen Humor. Bei Bedarf kann man da noch einige tiefe Ebenen mit rein- und weiterdenken. Muss man aber nicht. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, den Autor in seiner Geschichte durch die Uni, durchs Praktikum und durch den Prozess des Buch Schreibens, zu begleiten. 

Einer meiner Lieblingsauszüge aus dem Buch: 
„Lass mich diesen pathetischen Satz loswerden: Das ist der Stille Sieg des Kapitalismus über unsere Biografien.“ (S. 149) 

Das Hot Dog Wettessen bei Ikea möchte ich hier nur anteasern. Ja, diese Sprünge von tiefen Gedanken zu einem Hot Dog Wettessen oder den Besuchen im Prüfungsamt muss man aushalten. Es sind fließende Übergänge, daher auch kein Bruch im Lesegefüge. Es lohnt sich, den Lebensabschnitt von Felix durchzulesen.

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